Von Dr. Helge-Fabien Hertz

Studierende mit dem Projektleiter Dr. Helge-Fabien Hertz und Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. © Lisa Pandelaki

Studierende mit dem Projektleiter Dr. Helge-Fabien Hertz und Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. © Lisa Pandelaki

Friedhöfe haben im Judentum eine besondere Bedeutung. Sie sind Teil des Lebens und für die Ewigkeit angelegt: Bet Olam – Haus der Ewigkeit – und Bet Hachajim – Haus des Lebens – sind hebräische Begriffe für den Friedhof. Nach jüdischer Tradition wird am Ende der Tage die leibliche Auferstehung der Toten erwartet. Daher sind die Gräber für alle Zeit unantastbar. Da die jüdischen Friedhöfe in der NS-Zeit zwar fast ausnahmslos geschändet, aber größtenteils nicht vollständig zerstört wurden, bilden sie heute den ältesten und geschlossensten Bestand jüdischer Kulturdenkmäler in Deutschland.
Nur 22 der insgesamt über 2.000 jüdischen Friedhöfe in Deutschland liegen in Schleswig-Holstein. Im Rahmen des Lehrprojekts „Steinerne Zeugen“ wurden sie nun mit einheitlichen Informationstafeln versehen – eine bundesweit einmalige Initiative.

Eine von vielen: Informationstafel am Alten jüdischen Friedhof in Kiel. © privat

Eine von vielen: Informationstafel am Alten jüdischen Friedhof in Kiel. © privat

Die Tafeltexte sowie die weiterführenden Websitetexte, die per QR-Code erreichbar sind, wurden von zwölf Studierenden der CAU erarbeitet. Sie lernten über vergangenes und gegenwärtiges jüdisches Leben und jüdische Sepulkralkultur, forschten zur Geschichte der Friedhöfe und nahmen mitunter auch am jüdischen Gemeindeleben teil.

Zur Seite stand den Studierenden ein breites Netzwerk an Kooperationspartnern, zu denen die jüdischen Gemeinden und Landesverbände in Schleswig-Holstein, alle schleswig-holsteinischen Kommunen mit jüdischen Friedhöfen auf ihren Territorien (Ahrensburg, Bad Segeberg, Burg auf Fehmarn, Elmshorn, Eutin, Flensburg, Friedrichstadt, Glückstadt, Kiel, Lübeck, Neustadt in Holstein, Stockelsdorf, Westerrönfeld) sowie die Stiftung Diakoniewerk Kropp, das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, die Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, der Landesbeauftragte für politische Bildung Schleswig-Holstein, die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein e.V. (LAGSH), das Jüdische Museum in Rendsburg sowie zahlreiche lokale Expert*innen, zumeist aus dem Kompetenznetzwerk NET OLAM, zählten. Zudem wurde das Projekt aus dem Fonds für Lehrinnovation 2024/25 der Kieler Universität gefördert.

Nach einer zentralen Einweihungsfeier am 12. Mai in Kiel fanden auch in den anderen Kommunen offizielle Einweihungsveranstaltungen mit Grußworten von Bürgermeister*in und/oder Bürgervorsteher*in und weiteren statt, wobei die Studierenden ihre Forschungsergebnisse zum jeweiligen Friedhof öffentlich vorstellen konnten.

Eine Sammlung von Presseberichten finden Sie am Ende des Berichts.

Wie blicken die Studierenden auf das Projekt?

Baris Yüce

Durch das Seminar „Steinerne Zeugen“ lernte ich eine neue Weise des wissenschaftlichen Arbeitens kennen. Die Erstellung einer Infotafel für den Friedhof der Jüdischen Gemeinde in Flensburg machte nicht nur eine inhaltliche Recherche erforderlich, sondern auch die selbstständige Kommunikation für die Umsetzung des Projekts. Die Kombination aus Archivarbeit und der Abstimmung zwischen allen beteiligten Akteuren führte zu einer anspruchsvollen, aber auch höchst interessanten Arbeit. Das Projekte machte mir die enge Verbindung zwischen jüdischem Leben und Schleswig-Holstein deutlich, worin für mich sein größter Wert liegt.

Jana Wittmann

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Als ich die Ankündigung des Lehrprojektes sah, wusste ich, dass ich gerne Teil des Teams sein möchte. Die Beschreibung, dass wir etwas Nachhaltiges schaffen und gleichzeitig einen realen Einblick in die jüdische Sepulkralkultur erhalten würden, hat mich direkt angesprochen. Ich habe mich mit den jüdischen Friedhöfen in Bad Segeberg beschäftigt. Besonders der Austausch mit den Mitgliedern der dortigen jüdischen Gemeinde konnte mir verdeutlichen, welche zentrale Rolle Friedhöfe für eine jüdische Gemeinde spielen. Ich glaube, dass dieses Projekt dazu beiträgt, das Bewusstsein für die Bedeutung eines offenen Austauschs und eines toleranten Miteinanders zu stärken, denn nur so konnten wir alle gemeinsam das Projekt auf die Beine stellen.

Maarten Herfurth

Vor dem Wintersemester 2024/25 stieß ich auf das Seminar „Steinerne Zeugen“ von Herrn Hertz und war sofort begeistert. Es bot die Chance, aktiv zu forschen und eigenständig zum Thema Judentum zu arbeiten. Neben Literaturrecherche waren auch Archivarbeit, lokale Recherchen und direkte Absprachen mit Ansprechpartner*innen erforderlich. Dadurch nahm ich eine neue, viel verantwortungsvollere Rolle ein als in einem „normalen Seminar“. Die hohe geforderte Eigenständigkeit und Selbstverantwortung war zugleich die größte Herausforderung. Besonders die Archivarbeit hilft mir für mein weiteres Studium. Auch habe ich gelernt, wie viele Akteur*innen an einem solchen Projekt beteiligt sind und wie kompliziert es ist, den bestmöglichen Platz für ein Informationsschild zu finden. Insgesamt war das Seminar für mich persönlich ein voller Erfolg und besonders lehrreich für einen wichtigen Teil der Geschichte und Gegenwart.

Ela Kaya

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Ich habe an dem Seminar teilgenommen, weil es die Bedeutung der jüdischen Geschichte in Schleswig-Holstein und die Rolle, die sie nach wie vor spielen, adressierte. Mein Fokus lag auf dem Friedhof in Neustadt in Holstein und dem Schicksal der Cap Arcona-Tragödie. Das Projekt ermöglichte es mir, nicht nur tiefer in diese Geschichte einzusteigen, sondern sie auch vielen anderen Menschen über eine Informationstafel näher zu bringen. Die größte Herausforderung bestand darin, die Cap Arcona-Katastrophe angemessen darzustellen, um der Geschichte und den Opfern gerecht zu werden. Besonders interessant waren die unterschiedlichen Geschichten zu den einzelnen jüdischen Friedhöfen. Die starke Zusammenarbeit im Seminar war sehr erfreulich und bereichernd.

Cathleen Lottis

Aus der Überzeugung heraus, dass Erinnerungskultur lebendig und öffentlich sichtbar sein muss, habe ich mich in diesem Projekt engagiert. Es ist mir wichtig, das Judentum als Teil der Geschichte und Gegenwart in Schleswig-Holstein sichtbarer zu machen. Durch die Informationstafeln kann dazu ein konkreter Beitrag geleistet werden. Besonders gefallen hat mir die Verantwortung, die ich übernehmen durfte, und das Koordinieren zwischen den vielen Beteiligten: Jüdischer Gemeinde, Stadt, Denkmalamt und anderen mehr. Die größte Herausforderung war es, alle Informationen, Wünsche und Perspektiven zusammenzuführen, um ein stimmiges und überzeugendes Gesamtbild zu schaffen. Ein besonderes Highlight des Projekts war die feierliche Einweihung der Informationstafeln, da hier die Bedeutung des Vorhabens sowie der Stellenwert der Erinnerungskultur für alle Teilnehmenden auf eindrucksvolle Weise sichtbar und erlebbar wurden.

Svea Rohn

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Aufgrund zunehmender Antisemitismusvorfälle halte ich das Leisten von Präventionsarbeit und damit auch das Sichtbarmachen von jüdischem Leben für besonders relevant, um diesen entgegenzuwirken. Durch das Projekt zur Erstellung von Informationstafeln für die jüdischen Friedhöfe kann hierzu meiner Meinung nach ein wichtiger Beitrag geleistet werden. Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit angelegt und damit wertvolle Zeugnisse der Geschichte. Ich denke, vielen Menschen ist die Bedeutung und auch die Existenz dieser Orte nicht bekannt. Daher freue ich mich, dass wir die jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein durch das Projekt sichtbarer machen und hoffe, dass wir damit ein Bewusstsein und Interesse für die jüdische Geschichte und Kultur schaffen können.

Janine Schröder

Da ich zuvor noch nie von einem solchen Projekt gehört habe, hat mich dieses Seminar sehr angesprochen. Ganz abgesehen davon, dass ich durch das Seminar noch einmal viel tiefer in der Geschichte und Gegenwart des Judentums befassen konnte, habe ich auch sehr viel über eigenständige Archivarbeit und die administrative Umsetzung innerhalb der Kommune gelernt. Wie viel Arbeit mit einem solchen Projekt einhergeht, habe ich vorher nicht erwartet. Vor allem die Absprachen mit allen Beteiligten und der straffe Zeitplan stellten eine echte Herausforderung dar, die jedoch mit Geduld, Unterstützung und der Erinnerung daran, welch tollen Beitrag wir mit dem Projekt leisten, überwunden werden konnte.

David Gutzeit

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Es war mir eine große Ehre, an dem Projekt „Steinerne Zeugen“ teilzunehmen. Es hat mir in vielen Bereichen neue Perspektiven eröffnet. Ich konnte viel über den jüdischen Glauben lernen, was meiner Meinung nach in unserer heutigen Gesellschaft und dem zunehmendem Antisemitismus sehr wichtig ist. Auch für meine historische Arbeit habe ich viel dazugelernt. Ein historisches Projekt in der Praxis zu erleben, war sehr interessant und lehrreich. Auch der inhaltliche Input im Seminar hat mir sehr geholfen. Zudem hat mir das Projekt die Augen für die Bedeutung regionaler historischer Ereignisse und Gegebenheiten geöffnet. Es sind nicht immer die großen, weltverändernden Dinge, sondern vielmehr oft die „kleinen“ lokalen Ereignisse und Personen, die wir stärker in den Mittelpunkt der historischen Arbeit stellen sollten.

Stephanie Koch

Jüdische Friedhöfe sind sehr alte, geschichtsträchtige Orte, die uns viel über die Vergangenheit erzählen. Ich komme aus dem Kreis Steinburg und fand den Friedhof in Glückstadt aufgrund seiner schön verzierten Grabsteine schon immer sehr interessant. Nun durfte ich mich ein paar Monate intensiv mit seiner Geschichte auseinandersetzen. Im Rahmen des Projektes haben wir auf diesem Friedhof unter Anleitung der Restauratorin Frau Krohn auch einige von Moos, Flechten und Algen befallene Sandsteine fachmännisch gereinigt. Die Bearbeitung mit den verschiedenen Bürsten und einer speziellen Sanierlösung war sehr erfolgreich und hilft, die Steine noch viele Jahre lesbar zu erhalten. Spannend war auch die Arbeit zum jüdischen Friedhof in Kropp. In unseren Quellen war immer die Rede von sechs Grabstellen, sichtbar sind aber nur zwei. Durch eine Bodenradar-Messung, geleitet von Herrn Erkul vom Institut für Geowissenschaften an der CAU, hoffen wir, nun die verschollenen Gräber ausfindig machen zu können. Die Messung erfolgte mit Hilfe eines GSSI Messgeräts, mit dem ein engmaschiges Raster, zunächst über die Verdachtsfläche, dann über eine Kontrollfläche, abgefahren wurde. Die Auswertung der Daten dauert noch an. Danach kann der Friedhof eingefriedet werden, wie es nach dem jüdischen Religionsgesetz erforderlich ist. So konnten im Rahmen des Projekts auch einige wichtige Dinge angestoßen werden, die über die Beschilderung der Friedhöfe hinausgehen.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Hertz, Helge-Fabien: Informationstafeln für die jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein. Eine Vorhabenbeschreibung. In: Blog Net Olam. Jüdische Friedhöfe im Fokus von Antisemitismus und Prävention. 09.01.2025. URL: https://netolam.hypotheses.org/2492.
Bald auch ders.: Beschilderung der jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein. Resümee zu einem bundesweit einmaligen Projekt. In: Natur- und Landeskunde: Zeitschrift für Schleswig-Holstein und Hamburg (in Vorbereitung).

Auswahl an Presseberichten

Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing der Kieler Universität

Steinerne Zeugen als sichtbares Zeichen jüdischer Kultur. 13.05.2025.
URL: https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/075-steinerne-zeugen

NDR (Schleswig-Holstein Magazin)

Projekt soll jüdische Friedhöfe sichtbarer machen. 12.05.2025.
URL: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Projekt-soll-juedische-Friedhoefe-sichtbarer-machen,shmag127534.html

Evangelische Zeitung

Projekt “Steinerne Zeugen” macht jüdische Friedhöfe sichtbar. 12.05.2025.
URL: https://evangelische-zeitung.de/projekt-steinerne-zeugen-macht-juedische-friedhoefe-sichtbar

sh:z

Neue Infotafel erinnert an jüdische Geschichte Eutins – Friedhof als stiller Zeuge gegen das Vergessen. 23.05.2025.
URL: https://www.shz.de/lokales/eutin-ostholstein/artikel/eutin-bundesweit-einmalige-info-tafel-fuer-juedische-friedhoefe-48768960

Steinerne Zeugen: Warum der jüdische Friedhof in Glückstadt nun sichtbarer ist. 20.05.2025.
URL: https://www.shz.de/lokales/glueckstadt/artikel/warum-der-juedische-friedhof-in-glueckstadt-nun-sichtbarer-ist-48748592

Jüdische Friedhöfe: Einheitliche Informationstafeln vermitteln Geschichte und mahnen gegen Antisemitismus. 15.05.2025.
URL: https://www.shz.de/lokales/rendsburg/artikel/westerroenfeld-neue-tafel-am-juedischen-friedhof-eingeweiht-48731026

Fonds für Lehrinnovation - alle Projekte in der Übersicht

Das Projekt "Steinerne Zeugen" wird vom Fonds für Lehrinnovation gefördert. Eine Übersicht mit Kurzbeschreibung aller Projekte der Förderperiode 2024/25 finden Sie hier.